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27.08.2024

Rückblick: Veranstaltungen anlässlich des Gedenktages für den nationalsozialistischen Völkermord an den Sinti*ze und Rom*nja

Drei Personen sitzen auf einer Bank, die mittlere spricht in ein Mikrofon. Im Hintergrund ist ein Foto auf einer Leinwand zu sehen und dahinter an der Wand weiß Stoffbahnen mit Namen.
Maya und Hava Adzović von Romani Kafava e. V. im Gespräch mit Marie Stahlfeld

Am 3. und 4. August 2024 fanden im Geschichtsort Stadthaus, dem denk.mal Hannoverscher Bahnhof sowie der KZ-Gedenkstätte Neuengamme vier zusammenhängende Veranstaltungen zur Lebenssituation und Verfolgung von Sinti*ze und Rom*nja in Hamburg von der Zeit vor Beginn des Zweiten Weltkrieges bis heute statt. Anlass für die Veranstaltungen war der 2. August als offizieller Gedenktag für den nationalsozialistischen Völkermord an den Sinti*ze und Rom*nja

Themenrundgänge am Gesichtsort Stadthaus und am denk.mal Hannoverscher Bahnhof

Sieben Interessierte nahmen am ersten Themenrundgang des Tages zur Lebenssituation und Verfolgung von Sinti*ze und Rom*nja in Hamburg vor dem Zweiten Weltkrieg teil, der am Geschichtsort Stadthaus stattfand. Sandra Wachtel (Stiftung Hamburger Gedenkstätten und Lernorte) vermittelte grundlegende Informationen zum Stadthaus, das ab 1814 die zentralen Dienststellen der Hamburger Polizei beherbergte und von 1933 bis zur teilweisen Zerstörung des Gebäudekomplexes 1943 Zentrale des nationalsozialistischen Terrors war. Ergänzt wurden die Informationen durch die Familiengeschichte von Nicole Mettbach (Nachkommin verfolgter Sinti*ze), deren Familienangehörige im Stadthaus verhört wurden.

Im Anschluss fand ein zweiter Themenrundgang mit zwölf Teilnehmenden am denk.mal Hannoverscher Bahnhof statt, der ebenfalls von Sandra Wachtel und Nicole Mettbach begleitet wurde. Thema waren die Deportationen von Sinti*ze und Rom*nja aus Hamburg während des Zweiten Weltkrieges. Der Hannoversche Bahnhof war von 1940 bis 1945 zentraler Ausgangspunkt für Deportationen jüdischer Menschen sowie von Sinti*ze und Rom*nja in Ghettos, Konzentrations- und Vernichtungslager im deutsch besetzten östlichen Europa. Nicole Mettbach zeigte den Teilnehmenden auf den Gedenktafeln die Namen ihrer von dort verschleppten Angehörigen.

Gespräch im Haus des Gedenkens zu selbstorganisierten Kämpfen der Community von den 1980er-Jahren bis heute

Am Sonntag, den 4. August fanden dann in der KZ-Gedenkstätte Neuengamme ein Themenrundgang zu Rom*nja und Sinti*ze im KZ Neuengamme sowie ein anschließendes Gespräch zu selbstorganisierten Kämpfen der Community von den 1980er-Jahren bis heute statt. Hava Adzović gestaltete nicht nur den Rundgang inhaltlich, sondern nahm zusammen mit Maya Adzović (Romani Kafava e. V.) als Angehörige der Community sowie als Aktivistinnen auch am Gespräch teil. Den Referierenden von Romani Kafava e. V. war es hierbei wichtig, dass beim Rundgang aus der Perspektive der Community gesprochen wird. Marie Stahlfeld (KZ-Gedenkstätte Neuengamme) stand während des Rundgangs für allgemeine Fragen zum KZ Neuengamme zur Verfügung und moderierte das anschließende Gespräch. Hava und Maya Adzović berichteten den 19 Teilnehmenden auf eindrückliche Weise von ihren Erfahrungen bei Protestaktionen in Neuengamme 1993, ihren Erfahrungen mit Rassismus, der Bedeutung der KZ-Gedenkstätte Neuengamme für ihre persönliche Erinnerung sowie den anhaltenden Kämpfen für ein Aufenthaltsrecht von Rom*nja und Sinti*ze in Deutschland.

Auftakt für ein neues partizipatives Bildungsprojekt

Bei allen vier Veranstaltungen war die Dolmetscherin Diana Sima anwesend, um das Erzählte bei Bedarf in Romanes zu übersetzen. Insgesamt boten die vier Veranstaltungen den Besucher*innen die Möglichkeit, sich ein umfassendes Bild der Verfolgung von Sinti*ze und Rom*nja in Hamburg von der Machtübertragung an die Nationalsozialist*innen 1933 bis heute zu machen und die Perspektiven von Angehörigen der Community und Vertreterinnen von Selbstorganisationen zu hören. Es ergaben sich Möglichkeiten, miteinander ins Gespräch zu kommen, Fragen zu stellen und persönliche Erfahrungen auszutauschen. Die Veranstaltungen bildeten den Auftakt für die Vorbereitung eines geplanten Bildungsprojekts der Stiftung Hamburger Gedenkstätten und Lernorte, in dessen Rahmen auf partizipative Weise neue Bildungsbausteine zur Geschichte und Gegenwart der Sinti*ze und Rom*nja mit Bezug auf verschiedene Orte in Hamburg entwickelt werden sollen.

Marie Rauschenberger

Im Foyer eines größeren Raums sitzen vorne drei Personen auf einer Bank, die rechte spricht in ein Mikrofon. Vorne die Rücken einiger Menschen, die zuhören. Im Hintergrund weiße lange Stoffbahnen an der Wand, auf denen Namen stehen.
Maya und Hava Adzović von Romani Kafava e. V. im Gespräch mit Marie Stahlfeld