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05.05.2025

Kooperation im Projekt „StoryFinder“ mit einer Hamburger Circusschule gestartet

Teilnehmer*innen sitzen im Stuhlkreis im Geschichtsort Stadthaus.
Auftakt und Vorstellungsrunde im Seminarraum des Geschichtsort Stadthaus

Am 12. April 2025 traf sich die Jugendgruppe „Cirque Mix“ der Circusschule Die Rotznasen e.V. an einem für sie ungewohnten Ort: Das Projektteam von „StoryFinder“ hatte die „Mixies“ in den Geschichtsort Stadthaus eingeladen, um sich in einem Workshop mit Geschichten von Verfolgung, Vertreibung und Widerstand im Nationalsozialismus zu beschäftigen.

Eine Kooperation zum Thema Demokratie

Der Workshop bildete den Auftakt einer neuen Kooperation der Stiftung Hamburger Gedenkstätten und Lernorte zur Erinnerung an die Opfer der NS-Verbrechen mit der ältesten Hamburger Circusschule, die fast 160 Kindern und Jugendlichen von 4 bis 20 Jahren regelmäßigen Unterricht in verschiedenen artistischen Disziplinen bietet. In seiner circuspädagogischen Arbeit greift der Verein immer wieder gesellschaftlich relevante Themen auf und bringt sie in einem partizipativen Prozess mit den Kindern und Jugendlichen auf die Bühne. In diesem Jahr beschäftigen sich alle Gruppen mit dem Thema „Demokratie“, so auch die Jugendgruppe. In ihrem neuen Circustheaterstück wollen sich die „Mixies“ auf artistische Weise mit demokratischen Werten und Menschenrechten, aber auch mit Diskriminierung, Hass und Hetze in Vergangenheit und Gegenwart auseinandersetzen. Im Rahmen der Kooperation lernen die Jugendlichen in mehreren Workshops die Geschichte des Stadthauses kennen und beschäftigen sich intensiv mit den Biografien von Verfolgten und Tatbeteiligten. Die Arbeit mit den historischen Quellen dient den „Mixies“ als Grundlage für ihre Stückentwicklung. Einige der Ergebnisse der Zusammenarbeit werden in digitalen Stadtrundgängen im Zentrum Hamburgs sichtbar, die im Projekt „StoryFinder“ bis Ende 2026 entstehen.

Ortserkundung in den Stadthöfen

Nach einem assoziativen Einstieg zu den Themen „Nationalsozialismus“ und „Demokratie“ stand im ersten Workshop zunächst eine Ortserkundung auf dem Programm. In einem Rundgang durch die Stadthöfe und angrenzende Straßen führte Dr. Christiane Heß vom Projektteam die Jugendlichen in die Geschichte des Stadthauses ein, das von 1933 bis 1943 eine Zentrale des NS-Terrors in Hamburg war. Von dort aus organisierte die Polizei die Verfolgung Zehntausender Frauen und Männer in Norddeutschland und führte willkürlich Verhaftungen und Vernehmungen durch, oft begleitet von Misshandlungen und Folter.

„Mich hat es sehr bewegt, an einem Ort zu sein wo so viel Geschichte zusammenkommt. Bis jetzt kannte ich noch keine Biografien von Widerstandkämpfer:innen, die so jung waren."  Erna, Teilnehmerin des Workshops

Biografien-Arbeit

Im Anschluss hatten die jungen Artistinnen Zeit, sich in Kleingruppen mit Biografien von jungen Menschen zu beschäftigen, die im Stadthaus inhaftiert, verhört oder deren Verfolgung von dort aus organisiert wurden. Mithilfe von Fotos, biografischen Texten und Selbstaussagen näherten sich einige Teilnehmende der Lebensgeschichte von Kurt van der Walde, der sich dem jüdischen Jugendwiderstand anschloss und eine zweijährige Haft überlebte. Eine Gruppe widmete sich der Geschichte von Else Baker, die 1944 mit neun Jahren als Sintezza von Hamburg nach Auschwitz-Birkenau deportiert wurde und ebenfalls überlebte. Und eine Weitere setzte sich mit dem Leben Wilhelm Prulls auseinander, der als Homosexueller denunziert wurde und sich 1943 aus dem Fenster des Stadthauses stürzte, um einer weiteren Inhaftierung zu entgehen. Diesen und anderen jungen Hamburger*innen, die wegen ihrer politischen Haltung, Herkunft oder Lebensweise im Nationalsozialismus eingesperrt und gefoltert wurden, werden die „Mixies“ in ihrer artistischen Produktion eine Stimme geben.

„Besonders spannend am Workshop fand ich die vielen verhängnisvollen Geschichten, die einen Rückblick in diese schlimme Zeit gewährt haben." Lea, Teilnehmerin des Workshops

Was hat das mit uns zu tun?

Zum Abschluss waren die Teilnehmenden eingeladen, den Bogen zurück in die Gegenwart zu spannen. Warum ist es noch immer wichtig, sich mit den Verbrechen der Nationalsozialisten, aber auch mit dem Widerstand dagegen zu beschäftigen? Was hat das mit unserer Demokratie heute zu tun? Zu diesen und weiteren Fragen nahmen die „Mixies“ zahlreiche Denkanstöße und Anregungen für ihre Stückentwicklung mit. Wir freuen uns, sie bei diesem Prozess fachlich begleiten zu können und sind schon sehr gespannt auf die Ergebnisse!

Letzte Plätze frei im Projekt „StoryFinder“

Neben der Jugendgruppe der Circusschule „Die Rotznasen“ führen wir im Rahmen des Projekts bis Mitte 2026 auch mit weiteren Gruppen von Hamburger Schüler*innen Workshops zur Entwicklung von multimedialen Beiträgen für digitale Stadtrundgänge zu Verfolgung, Vertreibung und Widerstand in Hamburgs Zentrum durch. Für einzelne Teilnehmer*innen oder Kleingruppen ab ca. 15 Jahren sind noch Restplätze frei! Alle Informationen zur Anmeldung gibt es hier.

Das Projekt Storyfinder wird von der Stiftung EVZ und der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien im Rahmen des Programms JUGEND erinnert vor Ort & engagiert gefördert. Die Trägerschaft liegt bei der Stiftung Hamburger Gedenkstätten und Lernorte zur Erinnerung an die Opfer der NS-Verbrechen in Kooperation mit dem Bildungsträger dock europe e.V. und dem Institut für die Geschichte der deutschen Juden.

Eine Mitarbeiterin des Geschichtsort Stadthaus zeigt Teilnehmenden ein historisches Foto beim Rundgang.
Eindrücke vom Rundgang in den heutigen „Stadthöfen“
Teilnehmende sitzen an Tischen und arbeiten mit Quellen.
Arbeit mit Quellen und den „Memory Boxes“