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28.05.2025

Lesung "Stimmen der Befreiten"

Lesung '"Stimmen der Befreiten" am denk.mal Hannoverscher Bahnhof

Vor 80 Jahren, am 8. Mai 1945, endete der Zweite Weltkrieg in Europa. Szenische Lesungen brachten die Stimmen von Befreiten an öffentliche Orte.

„Es war so, als ob gar nichts gewesen war und alle hatten Not und Elend und die die aus dem Lager zurückgekommen waren, die durften nicht in Hamburg bleiben. […] Und der zweite Große Schock war, dass man völlig alleingelassen war und nicht so wie andere Opfer, die zurückkamen, und irgendwelche Ansprüche anmelden konnte. Das gab es für Sinti nicht.“

Frieda Larsen erlebte das Ende des Zweiten Weltkrieges und die Befreiung vom NS-Regime als Zwölfjährige in Hamburg. Ihr Vater war Sinto. Ein Großteil ihrer Verwandten und Freund*innen wurde in Arbeits- und Konzentrationslager deportiert, viele von ihnen wurden dort ermordet. In einem Interview im Jahr 2018 berichtete sie von den nach 1945 immer noch verbreiteten Vorurteilen gegen Sinti*ze und Rom*nja und davon, wie sie das Kriegsende in Hamburg erlebte. Ihre Schilderung des Kriegsendes in Hamburg ist eine der vielfältigen Perspektiven zur „Befreiung“.

Anlässlich des 80. Jahrestages der Befreiung von Verfolgten des NS-Regimes fanden im Programm „Stimmen der Befreiten“ an verschiedenen Orten in Hamburg szenische Lesungen und künstlerische Interventionen statt. Das Projektteam „denk.mal Hannoverscher Bahnhof“ beteiligte sich an dieser Aktion und gab am 8. Mai am Gedenkort denk.mal Hannoverscher Bahnhof und vor der Elbphilharmonie denjenigen eine Stimme, die im Nationalsozialismus aus rassistischen Gründen in Hamburg verfolgt worden waren. Gelesen wurde dabei aus Erinnerungsberichten und Interviews von überlebenden Sinti*ze, Rom*nja und Jüdinnen*Juden. Das Kriegsende und ihre Befreiung erlebten die Betroffenen an unterschiedlichen Orten: in Konzentrationslagern, auf Todesmärschen, versteckt in Hamburg oder im Exil, wohin sie vor der Deportation geflüchtet waren. Wie empfanden sie den Moment ihrer Befreiung und die Rückkehr nach Hamburg und Norddeutschland?

So berichtete Marione Ingram über ihre Rückkehr nach Hamburg: „Wir hatten noch überhaupt nichts von Vater gehört, seit er an die Ostfront verlegt worden war, und Mutter wartete verzweifelt auf ein Lebenszeichen von ihm. Außerdem wollte sie in Erfahrung bringen, ob von ihren Verwandten, die in die Konzentrationslager gebracht worden waren, irgendjemand überlebt hatte.“ Marione Ingram erlebte als Neunjährige die Befreiung mit ihrer Mutter in einem Versteck in Rahlstedt.

Heinz-Ludwig Rosenberg war mit seiner Familie 1941 aus Hamburg in das Ghetto Minsk deportiert worden. Er überlebte als einziger seiner Familie. Zum Zeitpunkt seiner Befreiung befand er sich im KZ Bergen-Belsen. In seinem 1983 herausgegebenen Erinnerungsbericht hielt er diesen aufwühlenden Moment fest: „Wir waren sterbende, kranke, verhungerte, zerbrochene menschliche Wesen, aber wir waren frei. Es war ein unfaßbarer Gedanke! […] Bergen-Belsen sah jetzt ganz anders für uns aus. Wir fühlten uns von unseren Ketten befreit. Meine Suche nach alten Freunden hatte aber keinen Erfolg.“

Im Anschluss an die Lesung im Lohsepark boten Juliane Podlaha vom Team „denk.mal Hannoverscher Bahnhof“ und die Illustratorin Paula Mittrowann einen Rundgang zur aktuellen Open-Air Ausstellung „Ich war zurückgekommen. Allein.“ am Gedenkort „denk.mal Hannoverscher Bahnhof“ an. Die Ausstellung kann bis zum 31. Oktober 2025 kostenlos besucht werden.

Die unterschiedlichen Stimmen und Eindrücke der am 8. Mai 1945 befreiten Opfer nationalsozialistischer Herrschaft sind heute wichtiger denn je. In aktuellen Zeiten globaler Krisen, erstarkender rechtsextremer und rechtspopulistischer Bewegungen und von militärischen Konflikten erinnern sie an den Wert von Frieden, Gerechtigkeit und Demokratie. Rund um den 8. Mai 2025 fanden und finden stadtweit Veranstaltungen statt. Ein besonderes Augenmerk lag für die Stiftung Hamburger Gedenkstätten und Lernorte auf den Perspektiven von NS-Verfolgten. Ein Materialpaket für eigene Veranstaltungen oder Projektarbeit mit Schüler*innen mit Stimmen von ehemals Verfolgten kann weiterhin angefragt werden: Anfrage Material

Auf der Seite 80 Jahre Befreiung, die das Mahnmal St. Nikolai und die Stiftung Hamburger Gedenkstätten koordinieren, werden die stadtweiten Aktivitäten zum Gedenken an das 80 Jahre zurückliegende Ende des Zweiten Weltkriegs und der Befreiung vom Nationalsozialismus in Europa aufgelistet.

Führung am denk.mal Hannoverscher Bahnhof zur Ausstellung "Ich war zurückgekommen. Allein"
Lesung '"Stimmen der Befreiten" an der Elbphilharmonie