Tom
„Es macht etwas mit mir, wenn ich auf den Gedenktafeln die Namen meiner eigenen Familie lese. Für mich ist dies ein Ort der Trauer und ein Ort des Gedenkens. Trauer darüber, dass meine Verwandten entrechtet, verfolgt, deportiert und schließlich ermordet wurden, und auch Trauer darüber, dass dieser Teil der Familie eine Lücke hinterlässt, die man nicht füllen kann. Es fehlt ein Stück Identität und manchmal stellt man sich vor, wie es wohl wäre, wenn die Familie ein Teil von uns geblieben wäre.“
Toms Ururgroßmutter Lina Czeniek, geb. Henoch, wurde am 31. Januar 1945 mit dem vorletzten Transport aus Hamburg mit 18 weiteren als Jüdinnen und Juden Verfolgten in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Sie überlebte und kehrte nach Hamburg zurück. Ihre Schwester Else Biskupitzer, geb. Henoch, und ihr Ehemann Karl Biskupitzer waren am 8. November 1941 vom Hannoverschen Bahnhof in das Ghetto Minsk deportiert und dort von der SS ermordet worden. Vier weitere Geschwister und ihre Familien überlebten die Shoah nicht. Toms Urgroßmutter, die ebenfalls Lina hieß, war bereits als Jugendliche zum christlichen Glauben konvertiert. Sie versteckte sich auf dem Land in Mecklenburg-Vorpommern und überlebte so die nationalsozialistische Verfolgung. Auch nach Kriegsende hielt die Familie am christlichen Glauben fest. Die jüdische Identität wurde verschwiegen und geriet schließlich in Vergessenheit.
Im Jahr 2013 erfuhr Tom durch die Recherchen seiner Mutter von der Verfolgungsgeschichte seiner Familie. Tom und seine Mutter recherchierten daraufhin weitere Verwandte, die in der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt und ermordet wurden. Sie beteiligten sich an der Verlegung von Stolpersteinen für ihre Familienmitglieder in Hamburg, Berlin und Wrocław (Breslau). Im Rahmen eines Seminars an der HafenCity Universität Hamburg produzierte Tom 2021 einen Kurzfilm über seine Familiengeschichte.