"Ich lese täglich aus deinen Büchern. Es ist das einzige Andenken, daß ich von Dir habe."

Hilde Beer an Rolf Ascher

Hilde Beer an Rolf Ascher Vorderseite

Hilde Frieda Beer

war 15 Jahre alt, als sie mit ihrer Familie 1941 in das Ghetto Litzmannstadt verschleppt wurde. Hilde hatte die Israelitische Töchterschule besucht, fand als Jüdin aber keine Lehrstelle. Sie arbeitete als Hilfskraft. 

Hilde schrieb zwei Postkarten nach Hamburg, die jedoch nie ankamen und in der Ghetto-Post verblieben. Beide Karten adressierte sie an Freunde: eine war an Rolf Ascher gerichtet. Der positive Ton Hildes lässt den ständigen Hunger im Ghetto, die katastrophalen sanitären Verhältnisse, die quälende Enge in den Behausungen und die bittere Kälte des Winters kaum erahnen.

Hilde, ihre Eltern und drei Geschwister wurden im Vernichtungslager Kulmhof ermordet. Nur ihr Bruder Moritz, der zur Zwangsarbeit weiter verschleppt worden war, überlebte.

Hildes Postkarten entdeckten junge Hamburger:innen erst 2019. Ihre Geschichte konnte damit erst in Zusammenarbeit mit der Hamburger Stolpersteininitiative aufgeklärt werden. 

Rolf Ascher wurde wenige Wochen nach der Familie Beer aus Hamburg in das Ghetto Minsk verschleppt und später dort ermordet. Er wurde 19 Jahre alt. 

Hilde Beer an Rolf Ascher Rückseite

Transkription Postkarte:

 

Absender:
Hilde Beer
Litzmannstadt-Getto
Hausiererstr. 1, Wohnung 1a

Herrn Rolf Ascher
Hamburg
Bei der Friedenseiche 1 III

Lieber Rolf!

Jetzt erst komme ich dazu Dir einige Zeilen zu schreiben. Mir geht es gesundheitlich Gott sei Dank gut, was ich von Dir auch hoffe. Was machen Deine Eltern? Arbeitest du noch immer dort. Ich hoffe, daß Du diese Karte bald erhalten wirst. Hast Du den Film schon entwickeln lassen? Sei bitte so gut und schicke mir umgehend die Bilder, da ich keine Photographie weder von Dir noch von mir habe. Hast Du Gertrud ein Bild von mir gegeben? Ich lese täglich in Deinen Büchern. Es ist das einzige Andenken, daß ich von dir habe. Es ist hier schon ziemlich kalt. Warst du schon einmal bei Sophie? Moritz kannst du auch einmal schreiben. Die Adresse ist: 

Moritz Beer
Judenarbeitslager 13, Posen
an den Bleichen [...]
Eichwaldstr. 

In der Hoffnung, bald etwas von Dir hören, verbleibe ich mit den besten Grüßen

Deine Hilde 

Grüße bitte Deine Eltern von mir.
Vielen Dank für die Hose ich trage sie täglich und sie ist schön warm.
Meine Eltern u. Geschwister grüßen ebenfalls.
Tante Anne besuche ich öfters.

Litzmannstadt d. 5/12 41.

*Zu Gunsten der Lesbarkeit wurde in der Transkription Anpassungen vorgenommen.
 

Weitere Recherchemöglichkeiten:

Johannes Grossmann von der Stolpersteininitiative Hamburg spricht über diese Postkarte: Video
TikTok Video über diese Karte: Video
Recherchetool: https://collections.arolsen-archives.org/

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